Gutachterliche Stellungnahme für das Aufschweißen von Stutzen und das Anbohren von in Betrieb befindlichen Fernwärmeleitungen
Arbeiten an Anlagenteilen, die unter Druck stehen oder heißes Medium führen, dürfen nicht durchgeführt werden, wenn dabei mit einem gefährdenden Ausströmen zu rechnen ist. Generell ist zuvor ein Freigabeverfahren durchzuführen. Im Rahmen des Freigabeverfahrens ist die Leitung zu entleeren und zu sichern. Alternativ kann ein Sonderverfahren, wie das Aufschweißen des Stutzens und das Anbohren, angewendet werden, wenn hierfür eine Gefährdungsbeurteilung mit einer gutachterlichen Stellungnahme vorliegt. [DGUV Regel 103-002] |
Rechtlicher Hintergrund
Gemäß § 4 des Arbeitsschutzgesetzes ist der Arbeitgeber angehalten, die Arbeit so zu gestalten, dass eine Gefährdung für das Leben sowie für die physische und die psychische Gesundheit möglichst vermieden und die verbleibende Gefährdung möglichst gering gehalten wird. Dabei sind Gefahren vorrangig an ihrer Quelle zu bekämpfen und erst nachrangig durch organisatorische oder personenbezogene Maßnahmen, wie zum Beispiel Schutzausrüstungen. Außerdem sind der Stand von Technik, Arbeitsmedizin und Hygiene sowie sonstige gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse zu berücksichtigen.
Der Arbeitgeber muss entsprechend ArbSchG § 5 auf der Grundlage einer Gefährdungsbeurteilung geeignete Maßnahmen des Arbeitsschutzes festlegen. Hierzu gehört insbesondere die Gestaltung von Arbeitsverfahren und -abläufen, die Auswahl von Arbeitsgeräten und die Schulung bzw. Unterweisung der Beschäftigten.
Für Arbeiten an Fernwärmeversorgungsanlagen konkretisiert die DGUV Regel 103-002 (ehemals BGR/GUV-R 119) „Fernwärmeverteilungsanlagen“ die staatlichen Anforderungen aus Gesetzen und Verordnungen unter Berücksichtigung bestehender Unfallverhütungsvorschriften und technischer Spezifikationen für diesen Anwendungsbereich.
Freigabeverfahren
Das Freigabeverfahren legt auf der Grundlage einer zuvor durchgeführten Gefährdungsbeurteilung fest, wie Arbeiten aus sicherheitstechnischer Sicht vorzubereiten, durchzuführen und zu beenden sind. Es muss schriftlich erfolgen, beinhaltet die erforderlichen Verfahrensschritte und benennt die Verantwortungsträger für die jeweiligen Verfahrensschritte:
Freischalten
Im Rahmen des Freigabeverfahrens muss außerdem entweder ein „Freischalten“ erfolgen oder ein alternatives Verfahren angewendet werden, mit dem der Unternehmer sicherstellt, dass eine Gefährdung von Personen ausgeschlossen wird.
Das Freischalten ist aus Sicht der Arbeitssicherheit die bevorzugte Methode für Arbeiten an Fernwärmeanlagen, da dann die Gefährdungen durch die Beseitigung der Gefahrenquellen Druck und Temperatur an der Arbeitsstelle (weitgehend) beseitigt sind. Das Verfahren ist jedoch aufwendig und entsprechend kostenintensiv, da hierfür die Leitungen entleert werden müssen. Gemäß den 5 Sicherheitsregeln sind folgende Schritte für ein Freischalten erforderlich:
Gutachterliche Stellungnahme
Entscheidet sich der Arbeitgeber für ein alternatives Verfahren - teilweise auch als Sonderverfahren bezeichnet -, so muss er durch andere technische, organisatorische oder personenbezogene Maßnahmen die Sicherheit der Mitarbeiter in gleichem Maße gewährleisten. Er trägt hierfür eine hohe Verantwortung und darf dieses Verfahren daher nur auf der Grundlage einer sogenannten „gutachterlichen Stellungnahme“ anwenden. Die Anforderungen hierfür sind beschrieben in der DGUV Regel 103-002 sowie im AGFW Arbeitsblatt FW 432 - "Betriebliche Mindestanforderungen an die Erstellung eines Rohrabzweiges an in Betrieb befindlichen Fernwärmeleitungen nach dem Anbohrverfahren“.
Typische Verfahren, die ohne Entleerung der Fernwärmeleitungen bzw. Anlagenteile durchgeführt werden, sind
Mit der gutachterlichen Stellungnahme soll abgesichert werden, dass die teilweise sehr komplexen Arbeiten zur Vorbereitung, Durchführung und Beendigung einer Maßnahme umfänglich beherrscht werden. Folgende Elemente sind zu berücksichtigen:
Die Anfertigung einer gutachterlichen Stellungnahme wird von mehreren Dienstleistern, insbesondere dem Ingenieurbüro WITTORF, deutschlandweit angeboten. Sie darf auch vom ausführenden Unternehmen selbst erstellt werden. Um rechtssicher zu sein, muss dabei beachtet werden, dass die beurteilende Person für ihre Aussagen die notwendige Kompetenz nachweisen kann. Die oben genannten Maßnahmen berühren die Bereiche Arbeitssicherheit, Gerätetechnik, Schweißtechnik, Prüftechnik, Fernwärmetechnik und Organisation bzw. Management.
In der Regel können Rohrleitungsbau- und Versorgungsunternehmen sowie Dienstleister nur durch die Einbeziehung mehrerer Personen die erforderliche Kompetenz nachweisen. Entsprechend aufwendig und kostenintensiv ist die Anfertigung einer gutachterlichen Stellungnahme, nicht zuletzt durch den sich ergebenden Abstimmungsbedarf zwischen den Fachleuten.
Das Ingenieurbüro WITTORF hat sich auf die Verfahren „Aufschweißen von Stutzen“ und „Anbohren“ spezialisiert und ist optimal befähigt durch die persönliche Qualifikation des Inhabers: AGFW-Experte, Fachkraft für Arbeitssicherheit (Sicherheitsingenieur), Maschinenbau-Ingenieur, Schweißfachingenieur, SiGe-Koordinator, zertifizierter ZfP-Prüfer und Auditor für Managementsysteme. Dank dieser Kombination ist es möglich, die gutachterliche Stellungnahme sowohl nachweislich kompetent und aussagefähig, als auch preiswert, schnell und unabhängig anzufertigen.
Verfahrensablauf
Für die Erlangung einer gutachterlichen Stellungnahme hat sich folgender Ablauf bewährt:
Die Dokumentenprüfung dient der Feststellung, ob die Voraussetzungen zur Durchführung des jeweiligen Verfahrens erfüllt werden. Sie umfasst unter anderem die Elemente:
Betriebsanweisung, Gefährdungsbeurteilung, Verfahrensbeschreibung, Bedienungsanleitungen, Unterweisungen, Schweißanweisung, Schweißerprüfungsbescheinigung, Schweißverfahrensprüfung, Aussagen zur
Organisationsstruktur, Qualifikation der Schweißaufsichtsperson.
(Für Unternehmen, die bereits nach AGFW Arbeitsblatt FW 601 oder TSM zertifiziert sind, ist der Aufwand überschaubar, da die benötigten Unterlagen zum Teil bereits vorhanden sind.)
In der Praxisprüfung wird festgestellt, ob die eingesetzten Personen qualifiziert und die verwendeten Geräte geeignet und geprüft sind. Außerdem wird begutachtet, ob die geplanten
Arbeitsabläufe beherrscht werden und mit der zuvor geprüften Dokumentation in allen Elementen übereinstimmen. Bewertet werden:
Festlegung der Verantwortung, Personalqualifikation, Unterweisung, persönliche Schutzausrüstung, Freigabeverfahren, Anbohrgeräte und sonstige Betriebsmittel, Zubehör und Hilfsmittel, Stutzen bzw.
Absperreinrichtungen, Schweißzusatz, Wanddickenmessung, Aufschweißvorgang, ZfP-Prüfung, Dichtheitsprüfung, Anbohrprotokoll usw.
In Verbindung mit der Praxisprüfung vor Ort kann auf Wunsch auch eine Verfahrensprüfung nach DIN EN ISO 15614-1 abgenommen werden. Diese ist für das Aufschweißen von Stutzen an in Betrieb befindlichen Leitungen gemäß AGFW Arbeitsblatt FW 446 erforderlich.
Abschließend erhält das beantragende Unternehmen eine gutachterliche Stellungnahme in Form eines Berichtes, mit dem gegenüber Auftraggebern die Befähigung zur qualifizierten Durchführung von Stutzenschweißungen und Anbohrungen an in Betrieb befindlichen Fernwärmeleitungen nachgewiesen werden kann. Falls erforderlich, werden dem Unternehmen außerdem Hinweise zu Verbesserungspotenzialen gegeben.
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2019 erschien in der bbr ein Artikel über das Erstellen eines Rohrabzweiges nach dem Anbohrverfahren. In diesem Artikel erläutert Jan Wittorf die Anforderungen an Unternehmen zum Aufschweißen von Stutzen und zum Anbohren sowie zur Beibringung der gutachterlichen Stellungnahme.
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